Da grölt der Numismatiker

Bombenentschärfung, Bosonen und Büffets: Bei der Langen Nacht der Forschung herrschte trotz Sommertemperaturen ungebremster Wissensdurst.

"Habt ihr schon mal von Interpol gehört?" Die zwei Heranwachsenden schütteln den Kopf. "Also: Stellt Euch vor, Mr.Smith hat in Amerika einen Banküberfall verübt..." hebt der nette Beamte in Märchenonkelstimme an, und die Jungs hören gebannt zu. Fünf Uhr nachmittags, zu Beginn der Langen Nacht der Forschung, ist im schummrigen Foyer des Bundeskriminalamts mächtig was los, und das obwohl draußen mit aller Macht der Sommer ausgebrochen ist.

Neben einer Glasschüssel mit Köder-Zuckerln werden Fingerabdrücke mit Kohlestaub bepinselt, die Kleinsten versuchen, Inspektor Maulwurf beim Lösen eines Felldiebstahls zu helfen, gegenüber werden die etwas Älteren mit lustigen Büchlein (verheißungsvolles Kapitel: "Wastl auf dem Datenhighway") zur Vorsicht im Internet angehalten, und die ganz Alten verwickeln die Beamten in längere Gespräche über Einbruchsprävention. Neben zwei futuristischen Bombenentschärfungsrobotern wartet Falschgeldspürhund "Argon" schon unruhig scharrend auf seinen Einsatz: Ihm steht noch eine lange Nacht des Banknotenschnüffelns bevor.

Vier Stunden später: High Life in der Bundesanstalt für Geologie im 3.Bezirk, auch wenn die an die Fassade projizierten Fotos von Gipsplatten (Bildunterschrift: "Gipsplatten") eher meditativen Charakters sind. Zu später Stunde noch aufgeweckte Kinder wuseln rätselrallyend durchs Foyer, während sich sich die Erwachsenen bei der Verkostung geologisch relevanter Weißweine am Büffet drängeln. Der Hit: Auf dem Relief-Globus mit dem Finger durch den Marianengraben fahren.

Letzte Station: Die Aula der Wissenschaften in der Wollzeile. Hier ist es um 22 Uhr so laut wie in einem Technoclub. Da piepst es, dort entlädt sich etwas. Ein schickes Pärchen raunt "Willkommen bei der Big Bang Theory!", als ein Hochenergiephysiker an ihnen vorbeisaust. Dessen Kollegen erklären geduldig Higgs-Boson, Neutrinos und Dunkle Materie, daneben hantiert ein multipel Gepiercter in weißem Kittel selbstversunken mit Pipetten und extrahiert DNA aus Erdbeeren. Im Prunksaal referiert ein Altertumsforscher vor interessierten Zuhörern und Dutzenden Bierflaschen über "hinterlistige Parther", im 1.Stock rotten sich schon fröhlich grölende Numismatiker zur After-Forschungs-Party zusammen.

Ein voller Erfolg also, wenn sich die Wissenschaft aus ihren Laboren und Stübchen herauswagt und auf breite Neugierde, sonst eine eher unwienerische Eigenschaft, trifft. Letzter frommer Wunsch: 2013 bitte die Lange Nacht der Forschung zeitgleich mit der Langen Nacht der Kirchen abhalten, zur "Langen Nacht des Clashs der Weltanschauungen".

(erschienen am 2.5.2012 im FALTER; Heft 18/2012)

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