Althan-Grund: Architektur am Abstellgleis?

Erstaunen herrschte vorige Woche bei der Anrainerversammlung im Alsergrund: Michaela Mischek-Lainer, Projektleiterin des Investors 6B47 für das Projekt Althan-Grund, verkündete, dass sich die vom Bezirk geforderten 300 günstigen Wohnungen über dem Franz-Josefs-Bahnhof aus Kostengründen nicht realisieren ließen.

Bei manchen Anrainern dürfte dies eher keinen Schock ausgelöst haben. Sie wollen sowieso keine neuen Wohnungen im Grätzel. Für die Stadtplanung und die Architekten dagegen leuchten die roten Signallampen. Droht das Projekt, in dessen Planung und Wettbewerb viel investiert wurde, aufs Abstellgleis zu rollen?

Im Büro der Vizebürgermeisterin zeigt man sich auf Anfrage des Falter verwundert. Leistbares Wohnen sei von Anfang an als Teil des Leitbildes für den Althan-Grund klar formuliert gewesen. Der Investor selbst habe den Prozess initiiert und den Wettbewerb mitgetragen. Man gehe davon aus, dass dies auch so umgesetzt werden könne.

Will sich hier also ein Investor des lästigen Wohnbauanteils entledigen? Dies geschieht zweifellos immer wieder, sobald sich Stadt und Private in der Stadtentwicklung gemeinsam betätigen. Hier ist die Sachlage jedoch nicht so einfach. Mischek-Lainer verweist darauf, bisher 20.000 geförderte Wohnungen gebaut zu haben und zu wissen, wo dieser umsetzbar sei. Das Problem, so die Investorin zum Falter, sei, dass statt leistbarem Wohnbau jetzt plötzlich von gefördertem Wohnbau die Rede sei – und dieser sieht strenge Baukostenobergrenzen vor. Davor, dass es eng werden könnte, habe sie schon bei der Kür des Siegerprojekts von ARTEC Architekten gewarnt.

Dieses war damals das einzige im Wettbewerb, das kein Hochhaus auf dem Areal vorsah. Wir erinnern uns: Ein „Höhenfenster“ von 126 Metern war hier möglich, viele befürchteten ein zweites Heumarkt-Desaster. Dieses schien abgewendet – doch mit der Konsequenz, dass sich ein niedrigeres Projekt eben weniger gut rechnet. Dass das Überbauen von Bahnanlagen teuer ist, weiß man auch bei der Stadt, denn für genau diese Fälle hat man bei der Bauordnungsnovelle im Dezember, die die neue Widmungskategorie „geförderten Wohnbau“ einführte, eine Ausnahme vorgesehen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein ambitionierter Plan zwischen den politischen Zahnrädern der Stadt zermahlen wird. Die Architektur und die Architekten wären, wie so oft, die Leidtragenden. Letztendlich liegt die Wurzel des Übels woanders: Anstatt eines teuren Neubaus auf einen 9 Meter hohen Betonsarg sollten die Gleise der ÖBB in der Spittelau enden und der finstere Zwergbahnhof namens Franz Josef aufgegeben werden. Dann könnten die Alsergrunder ohne Kletterübungen durch die Straßen gehen, und günstig wohnen könnte man dort auch.

 

Erschienen in: 
Falter 6/2019, 6.2.2019