Bond und Bösewicht

Eines ist ja wohl klar: Autofahren ist nach dem Einrad für Clowns die zweitdümmste Fortbewegungsart, die es gibt. Die Idee, eine Person von A nach B zu bewegen, indem man ihr mehr als das zehnfache ihres Körpergewichts an Metall- und Elektronikschrott aufbrummt, unschön riechende Flüssigkeiten aus dem Erdinneren heraus und um den Globus pumpt, um sie in diesem Personen-Schrott-Ensemble lärmend zu verbrennen, wird von künftigen Generationen zweifelsohne als Irrweg der Evolution, als peinliche Episode angesehen werden, über die der Mantel des verbrennungsfreien Schweigens zu breiten sei.

Ist man Inhaber solcher Meinungen und bekommt dann aus dem Nichts das Angebot ins Haus, je 200 Freikilometer auf einem Aston Martin DB9 und einem Maserati GT zu verdüsen, kommt man kurz ins Grübeln, steckt dann aber das Kärtchen mit der Aufschrift „Nein“ wieder ein, denn wann hat man schon die Gelegenheit, ein waschechtes James-Bond-Auto zu fahren? Zwar bekommt man das Gefährt nicht von Wunderwuzzi Q in der Geheimgarage des MI6 in die Hand gedrückt, sondern von jemandem mit mehrbuchstabigem Namen auf einem tristen niederösterreichischen Parkplatz, aber man lässt sich die Enttäuschung, ganz britisch, nicht anmerken.

Skeptisch beäugt man die Boliden. Irrweg der Evolution? Indeed, Sir. Oder? Noch am selben Abend stürze ich alle Viertelstunde auf die Straße, um versonnen über die haigrau schimmernde Aston-Martin-Karosserie zu streichen und zu flüstern „Mann, ist der schön“? Wie konnte das passieren? Es war, verdammt noch mal, Liebe.

Das elegante Design strahlt Diskretion und raketenartige Geschwindigkeit aus, obwohl das gleichzeitig gar nicht geht. Wie ein eleganter Maßanzug sind Karosserie und Armaturenbrett um den Fahrer herumgeschneidert, beim Betätigen des vertrauenerweckend schlichten Schalters mit dem „D“ geht die majestätische Post ab, und das Fahrzeug tut dabei so, als wäre das nichts Besonderes. Wie auf Schienen saust man dank Traktion über den Asphalt.

Gut, den schwarzen Maserati würde man auch nicht von der Bettkante stoßen, aber sein Inneres aus rotem Leder und Wurzelholzimitat ist doch eher geeignet, goldbeklunkert vor italienischen Nachtclubs auf Beute zu warten, während die diskrete Prägung „Handmade in Great Britain“ beim Aston Martin nahe legt, mal schnell mit 477 PS bei der nächsten schottischen Whiskydistillerei auf ein Glaserl vorbeizuschauen. Danach wird im Bondschen Sinne ein bisschen die Welt gerettet, während auf des italienischen Boliden Sitz der Bösewicht die weiße Angorakatze krault.

Mit einem leisen Zischen verglimmt das letzte Flackern meines Öko-Heiligenscheins, als das Bondauto das Bösewichtauto durch golden leuchtende burgenländische Weinberge verfolgt und dabei gute 20 Liter pro 100 Kilometer in die Reben pustet. Versperrt ein tuckernder Rübenlaster mit nachfolgenden ängstlich zögernden Überholmemmen den Weg, genügt ein Tippen auf das Pedal, und schon ist man ein Bundesland weiter. Lustig zu beobachten ist die Reaktion der anderen Verkehrsteilnehmer. Während die Porschefahrer sich wie übermütige Hündchen auf ein Überholst-du-mich-überhol-ich-dich-Spielchen einlassen und erwartungsvoll hechelnd an der nächsten Kreuzung warten, fühlen sich die BMW-Fahrer zu solch grimmig verbissenem Kräftemessen herausgefordert, dass man sich ernsthaft um die Dimension ihrer Untenrumbestückung sorgt.

Auch das Fußvolk bliebt nicht unbeeindruckt: Mit einem „Bist du deppert!“ stiebt eine Horde pubertärer Simmeringer über die Straße und blickt uns mit offenen Mündern hinterher, während Bond und Bösewicht schon wieder fast am Cobenzl sind.

Keine Frage, diese Reaktionen sind das perfekte Aufputschmittel für das Ego. Nach wenigen Stunden auf der Straße entdeckt man an sich selbst Eigenschaften, die man sonst an anderen verachtet: Selbstverständlich haben alle anderen zu respektieren, dass man hier mit einem Erste-Klasse-Gefährt unterwegs ist und bitteschön aus dem Weg verschwinden. Und überhaupt, ich würde jetzt bitteschön gerne nachprüfen, ob der wirklich 306 km/h fährt. Das muss man doch verstehen als Schwächerer!

Schon erhebt der Sozialdarwinismus im Rückspiegel sein hässliches Haupt. Aber hey, ein James Bond kann eben nicht gleichzeitig die Bösewichter und auch noch die Klimakatastrophe zur Strecke bringen. Da kann man sich schon ein bisschen Verständnis erwarten.

(erstmals erschienen im FALTER, Heft 47/2009).

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