Das Werk der Hände: Der Architekt Bernardo Bader

Der Bregenzerwälder Bernardo Bader hat in jungen Jahren schon eine Fülle von Architekturpreisen gesammelt. Er baut lokal, aber sein Ruhm reicht weit über Land und Ländle hinaus. Warum ist das so? Ein Hausbesuch in Vorarlberg.

Hand aufs Holz. „Schau diese schönen Schindeln an!“ ruft Bernardo Bader. „Die sind über 50 Jahre alt und funktionieren noch tadellos!“ Bernardo Bader ist sicher schon zahllose Male an diesem alten Bauernhaus vorbeigegangen, aber er ist immer noch begeistert wie ein kleiner Junge.

Geht man von diesem Haus ein Stück über die Wiese, sieht man ein spitzes, steiles Satteldach, eine fast abstrakte Kirchensilhouette, die die sanft talwärts abfallende Baumreihe auf dem Bergrücken wie eine Buchstütze abschließt. Die kleine Kapelle Salgenreute, 2016 anstelle der früheren Kapelle errichtet. Auch sie ist mit Holzschindeln verkleidet, die sich inzwischen schon je nach Himmelsrichtung verfärbt haben. Entworfen von Bernardo Bader, ist sie das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit von Bewohnern und Handwerkern, die das Gotteshaus mit minimalstem Budget realisierten.

Dennoch ist es alles andere als ein gebauter Kompromiss, es trägt eine klare, entschlossene Handschrift. „Ich muss überzeugt sein, dass es ein starkes Ding ist“, sagt Bernardo Bader. „Dann versuche ich das umzusetzen. Aber um der Provokation willen jemandem etwas aufzudrängen, interessiert mich nicht. Für mich hat Architektur mit Akzeptanz zu tun.“ Wenn er einen Kindergarten baut, sagt Bader, erklärt und erzählt er vor der Übergabe an die Benutzer diesen noch einmal das Haus. Wie man sorgsam mit ihm umgeht, und dass man durchaus einen Nagel ins Holz schlagen darf, wenn man weiß, wo das Holz das verträgt.

Ein Haus am Moor

Drei Kurven und zwei Hügel weiter steht das eigene Haus des Architekten. 37 Meter lang, am Rande eines Moors. Täuschend einfach von außen, im Inneren warmes, weiches Holz und kühler Beton. Nur zwei Bäume wurden für den Holzboden verwendet, dafür aber komplett. Da ist es von Vorteil, wenn man weiß, was eine Holzliste ist, denn eine solche braucht der Holzfäller, um die Bäume im Wald richtig abzulängen. Bernardo Bader weiß, was eine Holzliste ist, und das sagt viel über seine Wertschätzung für das Material. Er hält es, sagt er, kaum aus, wenn andere Architekten dauernd über Handwerker schimpfen.

Man redet viel über Wertschätzung, wenn man mit Bernardo Bader unterwegs ist, und darin spiegelt sich sein Charakter und jener der Gegend. Der Bregenzerwald ist nicht vom Tourismus dominiert wie Tirol. Er ist eine produktive Landschaft des Machens und Herstellens, in osmotischer Beziehung zum Rheintal, eine Synthese von Industrie und Handwerk. Wenn ein Bursche oder Mädchen hier, sagt Bader, eine Stelle in einem Betrieb annimmt, sei das kein Zeichen, dass es zum Studieren nicht reicht, sondern werde mit Anerkennung belohnt. Man denkt an das britische Arts and Crafts Movement, das im 19.Jahrhundert das Handwerk als Gegenmittel zur Entfremdung der industriellen Produktion propagierte. Der Bregenzerwald lässt ahnen, wie jener Traum aussehen könnte, wenn er sich durchgesetzt hätte.

Ein Turm in Schruns

Hand auf Stein. Das neue Alpinsportzentrum im Zentrum von Schruns. Eine raue, archaische Steinfassade, breite, grob verputzte Fugen. Ein viergeschossiger Turm, zwei Seiten leicht konkav, zwei Seiten leicht konvex geknickt. Geschosshohe Fenster, scheinbar zufällig verteilt, gerahmte Blicke. Innen duftet es angenehm nach Holz, die Proportionen der Räume sind genau richtig, man fühlt sich darin geborgen.

„Das Montafon ist besonders“, sagt Bader. „Es ist touristischer, hier baut man so, wie es die Gäste gern mögen, Event und Spektakel sind wichtig. Uns Bregenzerwäldern ist das eher fremd.“ Also recherchierte der Bregenzerwälder die Montafoner Geschichte, von den Hotelarchitekten der 1970er Jahre bis zu Maurern, die früher aus Italien kamen. Beim Alpinsportzentrum kamen ebenfalls italienische Maurer zum Zug. Eine Wertschätzung, die nicht an der Grenze aufhört.

Denn auch wenn Baders Bauten in einem kleinen Radius entstehen, haben sie nichts mit Heimattümelei zu tun. Bestes Beispiel: Der islamische Friedhof in Altach (2012), ähnlich wie die Kapelle Salgenreute ein Resultat gemeinsamer Kraftanstrengung. Hier begegneten sich verschiedene kulturelle Traditionen und Interpretationen in Holz und rotem Beton. Wertschätzung eben.

Beton in Bregenz

Eine Wertschätzung, die 2013 mit dem Aga Khan Award ausgezeichnet wurde, einer von vielen Preisen, die der 1974 geborene Bader schon gesammelt hat. Neu hinzugekommen: Die spanische Architekturmonografie-Serie el croquis widmete ihm als erstem Österreicher überhaupt eine Ausgabe. Deren Auswahlkriterien: Kontinuierliche Haltung und Qualität über mindestens zehn Bauten hinweg. Das kommt in der österreichischen Architektur zwar öfter vor, doch wenn man Bader zuhört, erkennt man den roten Faden klar: Die Welt als Wille und Wertschätzung.

Hand auf Beton. Auf einem Restgrundstück in Bregenz, das sonst niemand wollte, steht seit 2019 ein dunkelgrauer Quader, darin Bernardo Baders Büro. Kantig, monolithisch, zweifellos ein „starkes Ding“. Was bei anderen Architekten (Hallo, Schweiz!) eine Übung in kalten Purismus begnügte, wird bei Bader zu etwas anderem. Die großen, hohen Büroräume sind umlaufend mit weiß lasiertem Holz ausgekleidet, wie eine bergende Geste. Man spürt das Werk der Hände.