Osaka

 

Fernsehbilder in X-Large auf allen Fassaden, riesige Kräne, die erdbebensichere Stahlträger in die Höhe heben, 24/7-Drogerien in grellsten Farben, Millionen von unverständlichen Zeichen auf Schaufenstern und Produkten, dumpfes Grollen aus den Pachinkohallen, das für Sekunden auf Düsenjetlautstärke springt, wenn jemand die Tür zur Straße öffnet, Treppen nach unten zu den Bars, Treppen nach oben zu den Bars, Members Only, auf jeder schmalen Parzelle ein achtstöckiges Haus mit übereinandergestapelten Bars, nur ein Zimmer gross, an der Fassade ein schmales hohes Schild, darauf Stockwerk und Barname, 1F bis 8F, alle mit Einwortnamen, mehr passt nicht auf die Schilder, ein paar Meter weiter das nächste, hunderte Meter geht das so, und in allen Quer- und Parallelstraßen auch, in ganz Umeda, und das ist nur eines von zwei riesigen Ess- und Ausgehvierteln in Osaka, das andere, Shinsaibashi, ist doppelt so groß.

Genau wie in den Kaufhäusern, auf den Speisekarten und an den Ticketautomaten, ein nicht mehr fassbares Meer von Zeichen, die endlose Auswahlmöglichkeiten von sich nur minimal unterscheidenden Optionen anbieten. Blitzblanke pechschwarze Taxis gleiten in Konvois lautlos durch die engen Gassen, die Fahrer tragen weiße Handschuhe, die Sitze sind mit weißen Spitzendeckchen überzogen. an jeder Ecke stehen Typen im Anzug, vorsichtig guckt man im Vorbeigehen nach der Anzahl der Finger.

Alle Bars sind voll, nur in einer „Russian Bar“ sitzen drei zusammengesunkene Gestalten einer drallen Barmatrone gegenüber, vielleicht werden sie aber auch bezahlt, um authentisch russische Atmo zu erzeugen, jedenfalls sieht es sehr nach Murmansk aus.

Die richtige Sushibar zu finden, ist deswegen nicht leicht, weil alle Restaurants mit Sichtschutzlappen verhängt und mit milchigen Schiebetüren versehen sind. Der visuelle Frischfischcheck wird so verunmöglicht. Nach wenigen Stunden Herumirren entwickelt man aber einen gewissen Instinkt, und, wer könnte es leugnen, auch einen gewissen Hunger.

Osaka ist Businessstadt, und nach Feierabend strömen die Grüppchen verbeugungsintensiv zum Feierabendbier. Dann wird gelärmt, getrunken und sehr sehr viel geraucht. Die Frauen unterscheiden sich übrigens in keiner dieser drei Disziplinen von den Männern. Die Sushibar ist, wie alle anderen, gerademal gästezimmergroß. Hinter der Theke der Sushimeister und der Grill- und Suppenmeister. Vor der Theke der Getränkelehrling. Das Bestellen funktioniert einfach, man deutet auf die Vitrine oder die Teller der rauchenden Nachbarn. Suppen-Mann kann als einziger etwas Englisch. Sushi-Mann hat nach mehreren exzellenten Gängen noch eine Empfehlung des Tages anzubieten. An Fischnamen scheitern jedoch die Sprachkenntnisse. Getränke-Mann fuchtelt jungenhaft eifrig in Richtung Sushi-Mann, und richtig, Glühbirne über Kopf, wir haben ja noch das Fischbuch im Regal. Strahlend wird eine Art völlig zerfleddertes „Kosmos buntes Kinder-Fischlexikon“ über die Theke gereicht, alle blättern aufgeregt darin, bis die Lösung gefunden ist: Makrele.

Ich nehme dann doch den Tintenfisch.

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